Northeim/Bad Gandersheim (red). Die Situation der Krankenhäuser in Deutschland befindet sich schon seit Jahren in einem starken Strukturwandel, der sich zunehmend weiter verschärft. Dafür gibt es viele Gründe: Mindestmengen und Qualitätsvorgaben des Bundes, medizinischer Fortschritt mit neuen ambulanten Behandlungsmöglichkeiten und auch begrenzte Personalressourcen. Das führt vor allem bei kleineren Krankenhäusern der Grund- und Regelversorgung bundesweit zu Existenzproblemen. Davon betroffen ist unter anderem auch die Helios-Klinik in Bad Gandersheim. Der Helios-Konzern und der Landkreis Northeim stimmen als Gesellschafter darin überein, dass das Krankenhaus in Bad Gandersheim in seiner bisherigen Form nicht mehr sinnvoll weitergeführt werden kann. Gründe sind auch hier unter anderem eine sehr geringe Auslastung, die zunehmende Spezialisierung und Ambulantisierung in der Medizin sowie hohe Vorhaltekosten, um nachhaltig den gesetzlichen Vorgaben zu entsprechen und eine hohe Qualität zu garantieren.

Um dennoch auch zukünftig eine wohnortnahe und bedarfsgerechte medizinische Versorgung im Mittelzentrum Gandersheim zu gewährleisten, ist beabsichtigt, die heutige Helios Klinik Bad Gandersheim für die Zukunft neu auszurichten. Dazu wird aktuell intensiv ein Nachnutzungskonzept erarbeitet. Geplant ist, diesen Umwandlungs- und Veränderungsprozess spätestens zum 30. September 2023 abzuschließen, um dann mit einem neuen Konzept unter einem neuen Träger zu starten. Helios wird zu diesem Zeitpunkt als Krankenhausbetreiber ausscheiden.

„Die Entscheidung, diesen Veränderungsprozess einzuleiten, haben wir uns alle nicht leichtgemacht. Viele Mitarbeitende sind dem Haus langjährig verbunden. Unter erschwerten Rahmenbedingungen ist es vor allem ihr Verdienst, dass sich die Helios Klinik Bad Gandersheim als kleines Haus über viele Jahre hinweg behaupten konnte. Nicht zuletzt bei der Behandlung der COVID-19-Patienten haben unsere Mitarbeitenden ganz Besonderes geleistet“, fasst Klinikgeschäftsführer Johannes Richter die Situation zusammen. „Jetzt aber müssen wir der Realität ins Auge sehen und den Weg für ein zukunftsfähiges Versorgungsmodell bereiten.“

In einem starken Wettbewerbsumfeld ist die Helios Klinik Bad Gandersheim mit aktuell 89 Plan- und 47 aufgestellten Betten das kleinste Krankenhaus im Landkreis Northeim. Notfälle und schwere, komplexe Fälle, müssen schon heute in größeren Kliniken und spezialisierten Einheiten behandelt werden. Diese Entwicklung hin zu medizinischen Zentren ist sinnvoll, notwendig und politisch gewollt. Dem gegenüber stehen die vorwiegend sehr kleinen Fachbereiche der Helios Klinik Bad Gandersheim, die es immer schwerer machten, diese Voraussetzungen zu erfüllen. Um der Klinik eine langfristige Perspektive zu geben, wurde in den zurückliegenden Jahren versucht, das Leistungsspektrum gezielt dem Bedarf anzupassen. Dieser ist jedoch vor Ort für den Betrieb einer Klinik nicht mehr in ausreichendem Maß gegeben, was der Rückgang an stationären Patienten und die fehlende Belegung verdeutlichen. Viele medizinische Eingriffe oder Behandlungen können und sollen zudem durch fortschrittliche Methoden ambulant durchgeführt werden.

„Die Veränderungen in der Krankenhauslandschaft sind Tatsachen, mit denen wir umgehen müssen. Ziel ist es dennoch, eine wohnortnahe medizinische Versorgung für die Menschen am Standort in Bad Gandersheim sicherzustellen. Und genau darum arbeiten wir schon daran, die Rahmenbedingungen für die medizinische Versorgung vor Ort frühzeitig so zukunftsfähig auszurichten, dass sie den aktuellen Entwicklungen Rechnung trägt und unseren Bürgerinnen und Bürgern vor allem langfristig zur Verfügung steht“, erklärt Landrätin Astrid Klinkert-Kittel.

Der Landkreis Northeim arbeitet bereits seit mehreren Monaten mit dem Niedersächsischen Sozial- und Gesundheitsministerium sowie mit weiteren Akteuren an der Entwicklung möglicher medizinischer Versorgungskonzepte, die konzentriert im Gebäude der heutigen Klinik Bad Gandersheim angesiedelt werden sollen. Diese rechtliche Möglichkeit einer Basisversorgung eröffnet das neue niedersächsische Krankenhausgesetz durch sogenannte Regionale Gesundheitszentren beziehungsweise Mini-Krankenhäuser. Damit können und sollen erstmals Möglichkeiten aus einer sektorenübergreifen Versorgung – stationär und ambulant – zielgenau zum Wohle der Patientinnen und Patienten genutzt werden.

Auch Helios wird sich künftig weiter für eine gute medizinische Versorgung starkmachen, versichert Reiner Micholka, Regionalgeschäftsführer der Helios Region West: „Eine Klinikschließung ist auch für uns als Träger ein schwerer Einschnitt. Wir werden uns im Landkreis Northeim aber auch weiterhin für eine hohe medizinische Behandlungsqualität einsetzen. Dazu gehört auch, dass wir gegenüber dem Landkreis unsere Bereitschaft und Unterstützung signalisiert haben, die Weiterentwicklung aktiv mitzugestalten. Mit dem Betriebsrat werden nun Interessenausgleichsverhandlungen aufgenommen. Jeder und jedem von der Veränderung betroffenen Beschäftigten soll ein adäquates alternatives Beschäftigungsangebot in einer der umliegenden Helios Standorte unterbreitet werden. Auch im Rahmen des vom Landkreis Northeim angestrebten Nachnutzungskonzeptes wird es verschiedene Beschäftigungsmöglichkeiten im medizinischen Bereich geben“.

„Ich möchte gegenüber den Beschäftigten am Standort in Bad Gandersheim und auch gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern noch einmal deutlich betonen, dass wir als Landkreis unseren Bürgerinnen und Bürgern langfristig eine wohnortnahe und bedarfsgerechte Patienten*innen-Versorgung, gemeinsam mit Projektpartnern aus der Region, in Bad Gandersheim anbieten wollen. Die neue Krankenhausplanung des Landes Niedersachsen ermöglicht es uns hier, neue Wege einzuschlagen. Wir haben die Möglichkeit eines der ersten Modelle eines neuen, zukunftsweisenden Versorgungskonzepts in unseren Landkreis zu bekommen und wollen diese Chance nutzen“, betont abschließend Landrätin Astrid Klinkert-Kittel.