Einbeck/Northeim (red). Weniger heizen und Energie sparen – was bedeutet das für die zahlreichen Orgeln in den mehr als 90 Kirchen und Kapellen im Kirchenkreis Leine-Solling? Dort ist im Winter auf Temperatur und Luftfeuchte zu achten, damit die Orgel keinen Schimmel ansetzt, rät Superintendent Jan von Lingen: „Die zum Teil historischen Orgeln sind nicht nur Instrumente, sondern gleichzeitig wertvolle Kunstschätze, die es zu schützen gilt.“ Insgesamt gibt es im Kirchenkreis 71 Orgeln, unter ihnen haben 15 Orgeln einen Denkmalwert.

Die Landeskirche Hannovers hat in ihren Empfehlungen für Energieeinsparungen in diesem Winter vorgeschlagen, die Raumtemperatur in Kirchen abzusenken. Dies hat Folgen für die Orgel. „Eine zwingende Voraussetzung hierfür ist die laufende Überwachung der Luftfeuchtigkeit in der Kirche und der Orgel, so dass es zu keinen Schäden am Inventar der Kirche kommt“, erklärt Tobias Otto aus der Abteilung „Bau und Liegenschaften“ des Kirchenamtes Northeim. Doch wie wird „angemessen“ geheizt und die Klima-Situation rund um die Orgel richtig gemessen?

Der Kirchenkreis Leine-Solling hat sich ausgiebig mit diesen Themen beschäftigt und ein Schreiben mit Empfehlungen an die Kirchengemeinden herausgegeben. Dazu gibt es Klimamessgeräte (Datenlogger), die Raumtemperatur und Luftfeuchtigkeit erfassen und über einen langen Zeitraum auswerten. Diese sind zum Beispiel in der Kirche in Langenholtensen bereits seit Januar an drei Punkten angebracht: Im Altarbereich, in der Orgel und seitlich am Glockenturm, da dort etwa die Bedingungen der Außentemperatur herrschen, erklärt die Vorsitzende des Fördervereins Andrea Röttcher-Junge bei der Tour durch die Kirche: „Uns ist, wie allen anderen Kirchenvorständen im Kirchenkreis Leine-Solling, natürlich sehr daran gelegen, den jetzigen Zustand der Kirche und unserer Orgel sowie jeglicher Kunstgegenstände zu erhalten. Deshalb haben wir die Datenlogger über den Förderverein angeschafft.“

Die ermittelten Daten werden regelmäßig kontrolliert und in eine App bzw. per Hand in eine Tabelle eingetragen. Das Amt für Bau- und Kunstpflege und die Orgelrevisoren wiederum haben eine Empfehlung für bestimmte Klimamessgeräte ausgesprochen. „Wir organisieren gerne eine Sammelbestellung und die Einrichtung der Klima-Messgeräte“, ergänzt Tobias Otto vom Kirchenamt.

Doch worauf kommt es eigentlich an beim Heizen oder auch nicht Heizen, damit Orgel und Kunstgegenstände keinen Schimmel ansetzen? Kirchenkreiskantor Benjamin Dippel erklärt: „Maßgeblich ist bei Orgeln nicht die Temperatur, sondern die Luftfeuchtigkeit. Sie sollte zwischen 45 und 70 Prozent relativer Luftfeuchte liegen. Der optimale Bereich liegt bei 50 bis 60 Prozent. Orgeln halten eine Menge aus, sie dürfen aber keinem Frost ausgesetzt werden, wenn sie nicht ohnehin schon für einen Raum gebaut wurden, der nicht beheizt werden kann.“ In Langenholtensen zum Beispiel zeigt das Messgerät an der Orgel 11,7 Grad und eine Luftfeuchtigkeit von 57 Prozent.

Wie das Zusammenspiel von Orgel und Heizung hinsichtlich der steigenden Energiekosten funktionieren kann? „Allen Organistinnen und Organisten wie den Besucherinnen und Besuchern ist ganz klar, dass es Einschränkungen bei der Beheizung geben muss. Entscheidend ist die Verhältnismäßigkeit, um allen Interessen gerecht werden zu können“, so Kreiskantor Dippel. Empfohlen werde deshalb, die Bestimmungen zu Kirchennutzung und zur Klimadatenerfassung der Landeskirche zu beachten, um Schäden vorzubeugen. Beratend dazu stehen den Gemeinden die Kreiskantoren bei kirchenmusikalischen Fachfragen zur Verfügung.

Superintendent Jan von Lingen betont: „Pro Grad können 5 bis 10 Prozent Energiekosten eingespart werden. Dafür sollen alle Kirchen und Kapellen mit mindestens einem, besser mit drei Klimamessgeräten ausgestattet sein. Um Schimmel zu vermeiden, müssen diese regelmäßig abgelesen werden. Bei problematischer Luftfeuchtigkeit sollte Rat bei den Experten des kirchlichen Amtes für Bau- und Kunstpflege gesucht werden, damit die Orgeln auch in Zukunft erhalten bleiben.“

Infokasten:

  • Insgesamt gibt es im Kirchenkreis Leine-Solling 71 Orgeln
  • 15 Orgeln haben mit Denkmalwert. Historische Orgeln sind u.a. in Sixti, Lutterbeck, Hardegsen, Wahmbeck und Schoningen
  • Die größte Orgel mit den meistern Pfeifen/Registern ist die St. Sixti Northeim. Vor genau 300 Jahren wurde sie fertiggestellt, sie verfügt über 52 Register verteilt auf 3 Manuale und Pedal (ca. 3600 Pfeifen)
  • Bundesweit gibt es nach Schätzungen rund 3.500 hauptamtliche Organisten, dazu kommen mehrere 10.000 ehrenamtlich tätige Organisten
  • Deutschland gilt weltweit als „Orgelland“. Es gibt über 50.000 Instrumente. Die deutsche Orgeltradition wurde inzwischen in das immaterielle Welterbe der UNESCO aufgenommen. Aufgrund der Vielzahl von Kirchgebäuden hat Südniedersachsen wohl die größte „Orgeldichte“ weltweit.

Foto: Mareike Spillner